„Land ist die Lage vor Ort nicht bewusst“
Planungs- und Baustillstand bei Ausbau und Ertüchtigung von Haupt- und Schutzdeichen: Landkreise Harburg und Lüneburg, Elbanrainerkommunen und Deichverbände schlagen Alarm
Auf einmal werden die sonst so sanft dahinplätschernden Flüsse zu reißenden Strömen. Die Gewalt des Wassers reißt alles mit sich, die Fluten bedrohen Menschen und Tiere – wie schnell solch ein Szenario Wirklichkeit werden kann, hat sich nicht zuletzt nach Weihnachten in Niedersachsen oder im Sommer am Oberlauf der Elbe gezeigt. Die Landkreise Harburg und Lüneburg sind im vergangenen Jahr von Überflutungen und Schäden verschont geblieben, aber umso wichtiger ist der Hochwasserschutz. Und dabei muss sich einiges tun, schlagen die Landkreise Harburg und Lüneburg sowie die Deichverbände – Artlenburger Deichverband, Harburger Deichverband sowie Deich- und Wasserverband Vogtei Neuland – im Rahmen der Herbstdeichschauen Alarm.
Landkreise und Deichverbände fordern im engen Schulterschluss, dass das für den Hochwasserschutz zuständige Land Niedersachsen Maßnahmen zum Hochwasserschutz ergreift. „Umweltminister Christian Meyer muss die erforderlichen personellen und finanziellen Prioritäten für den Hochwasserschutz setzen“, betonen die Landräte Rainer Rempe (Harburg) und Jens Böther (Lüneburg). „Deichbaumaßnahmen sind längst überfällig. Wir haben akute Defizite im Bereich des Hochwasserschutzes an den Haupt- und Schutzdeichen. Ursache der schleppenden Realisierung von Deichbaumaßnahmen, des Bau- und Planungsstillstands ist eine unzureichende Unterstützung des Landes bei Planung und Finanzierung. Dem Land scheint der Ernst der Lage vor Ort nicht ausreichend bewusst zu sein.“
Die jüngsten Deichschauen haben es noch einmal deutlich gemacht: Der Zustand der aktuellen Schutzdeiche entspricht nicht mehr den heutigen Standards. Sie können ihren Zweck nicht mehr hinreichend erfüllen, gerade mit Blick auf den Klimawandel mit zunehmenden Starkregen- und Hochwasserereignissen. „Die Ausbaubedarfe sind enorm. Eine Ertüchtigung der Deiche ist dringend erforderlich, um einen ausreichenden Hochwasserschutz zu gewährleisten. Eine zeitgerechte Umsetzung der notwendigen Deichbaumaßnahmen durch das Land wird bei allen bisher vorgesehenen Anstrengungen aber deutlich verfehlt“, stellt Landrat Rempe fest. „Wir dürfen nicht darauf vertrauen, dass die Deiche im Ernstfall ausreichen. Wir müssen stattdessen den Deichbau signifikant beschleunigen“, sagt auch Landrat Böther. „Angesichts der Herausforderungen, vor die uns der Klimawandel stellt, wächst die Bedeutung eines umfänglichen Hochwasserschutzes durch die Deiche.“
Wie notwendig ein Ausbau und die Erhöhung der Deiche auf den neuesten technischen Stand sind, hat der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) bereits 2020 in einer Bestandsanalyse zu den Hochwasserdeichen festgestellt. So müssen die Elbdeiche angesichts der Herausforderungen ertüchtigt und erhöht werden – um bis zu 1,30 Meter. Der Hauptdeich von der Landesgrenze Hamburg bis in den Landkreis Lüneburg beispielsweise soll nach den Planungen von derzeit 8,40 bis 8,90 Metern auf 9,50 Meter erhöht werden.
Besonderer Handlungsbedarf besteht insbesondere bei den rückwärtigen Schutzdeichen. Die Deiche an den Elbe-Nebenflüssen müssen zum Teil neu gebaut und an den Stand der Technik angepasst werden, damit sie ihren Zweck erfüllen können. Denn dabei handelt es sich teilweise um unzureichend verdichtete Sanddeiche, notwendige Hochwasserschutzeinrichtungen wie Deichrampen und Unterhaltungswege fehlen und auch Deichverteidigungswege müssen geschaffen oder erneuert werden werden.
Doch es ist eine nahezu unendliche Geschichte: Seit Fertigstellung des Rahmenentwurfs für den Ausbau der Schutzdeiche an Luhe, Seeve, Ilmenau, Roddau und am Neetzekanal 2010 sind bereits 14 Jahre vergangen. Schon dort ist der Ausbaubedarf verbindlich festgestellt worden. Bis auf einen Planfeststellungsbeschluss im Jahr 2018 zum Aus- und Neubau der Schutzdeiche an der Luhe sind weitergehende Planungen oder gar bauliche Maßnahmen für einen ausreichenden und zukunftsfesten Hochwasserschutz trotz regelmäßiger Gespräche und einem regen Briefwechsel zwischen Arbeitsgruppe, Ministerpräsident und Umweltminister aber nicht erfolgt. Das zuständige NLWKN Lüneburg verweist fast schon gebetsmühlenartig auf fehlendes Personal. Im Bereich des Artlenburger Deichverbands sind sogar schon seit 19 Jahren auf einer Länge von 34 Kilometern keine Deichbaumaßnahmen mehr umgesetzt. Deiche sind zu steil, bestehen nur aus Sand und haben schlechte oder keine Deichrampen zur Verteidigung und Unterhaltung.
Das Land hat zwar für die Jahre 2023 bis 2027 insgesamt 100 Millionen Euro für Hochwasserschutz in Niedersachsen bereitgestellt. Doch das reicht bei weitem nicht – allein für die Landkreise Harburg und Lüneburg liegt der Investitionsstau bei rund 200 Millionen Euro. Hinzu kommen bürokratische Hürden.
Die Landkreise und Deichverbände fordern daher:
- eine erhebliche Aufstockung personeller Ressourcen für den Hochwasserschutz im Geschäftsbereich Lüneburg des NLWKN, um den Planungs- und Baustillstand zu beenden und wenigstens die verfügbaren Gelder einsetzen zu können;
- die nachhaltige und dauernde Bereitstellung ausreichender Finanzmittel, um alle notwendigen Deichbaumaßnahmen zügig umsetzen zu können;
- eine Verschlankung und Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens im Deichbau
- eine Haftungsfreistellung für Deichverbände.
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