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Abstimmung per Handzeichen in einer Kreistagssitzung.

Auszug - Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 22.04.2012 (Eingang: 23.04.2012); Resolution zur Abschaffung des Gutscheinsystems nach AsylbLG; Änderungsantrag der Gruppe SPD/Bündnis 90 Die Grünen vom 22.08.2012 (im Stand der 2. Aktualisierung vom 11.09.2012)  

Kreistag
TOP: Ö 9
Gremium: Kreistag Beschlussart: ungeändert beschlossen
Datum: Mo, 15.10.2012    
Zeit: 14:00 - 17:35 Anlass: Sitzung
Raum: Ritterakademie
Ort: Ritterakademie, Am Graalwall, 21335 Lüneburg
Zusatz: Hinweis: W-LAN ist vorhanden. Wir bitten Sie dennoch, die elektronische Aktenmappe zu packen.
2012/137 Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 22.04.2012 (Eingang: 23.04.2012);
Resolution zur Abschaffung des Gutscheinsystems nach AsylbLG;
Änderungsantrag der Gruppe SPD/Bündnis 90 Die Grünen vom 22.08.2012
(im Stand der 2. Aktualisierung vom 11.09.2012)
   
 
Status:öffentlichVorlage-Art:Antrag an den Kreistag
Verantwortlich:Horn, AnnaAktenzeichen:01
Federführend:Büro des Landrats Beteiligt:Sozialhilfe und Wohngeld
Bearbeiter/-in: Alkushovski, Anna   
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

KTA Stoll weist darauf hin, dass die Würde des Menschen nach Artikel 1 des Grundgesetzes unantastbar sei. Für seine Fraktion sei die Vergabe von Gutscheinen unwürdig und diskriminierend. In Artikel 3 des Grundgesetzes stünde, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich seien. Niemand dürfe wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden. Das Asylrecht für politisch Verfolgte sei in Deutschland ein in Artikel 16 a GG verankertes Grundrecht. Wenn alle Menschen gleich seien, frage er sich, warum sie nicht gleich behandelt werden. Warum, so frage er sich, werde ihnen jede Möglichkeit genommen, unabhängig von den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu leben, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen und eigenständig ihren Alltag zu gestalten? Mit dem Gutscheinsystem lasse man sie spüren, dass sie nur geduldet seien und eine Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben bleibe ihnen größtenteils verwehrt. In mehreren Bundesländern werden mittlerweile flächendeckend Geldleistungen gewährt, denn die Handhabung sei Ländersache. Der Kreistag könne dieses Gesetz nicht abschaffen, jedoch dafür eintreten, dass es geändert werde. Mit dieser Resolution fordere seine Fraktion die verantwortlichen Minister in Hannover auf darauf hinzuwirken, dass das Gesetz geändert oder gänzlich abgeschafft werde. Das Bundesverfassungsgericht habe am 18. Juli 2012 das Gesetz für verfassungswidrig erklärt und die Bundesregierung angewiesen, die Beiträge zu erhöhen. Dies sei ein erster Schritt.

 

KTA Staudte kann sich in weiten Teilen der Meinung KTA Stolls anschließen. Es sei ein guter Zeitpunkt, als Kreistag ein ganz klares Signal zu senden und die Gutscheinpraxis abzuschaffen. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits gerügt, dass das Asylbewerberleistungsgesetz in seiner jetzigen Form nicht korrekt sei. Viele Bundesländer haben das Gutscheinsystem abgeschafft und auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände unterstütze dies. Es sei für die Kommunen nicht nur bürokratischer, sondern auch teurer, Wertgutscheine auszugeben. Die Gruppe habe allerdings den Änderungsantrag gestellt, weil nicht nur ein Appell an die Landesregierung gehen solle, sondern auch an die eigene Kreisverwaltung. Es sollten alle Ermessensspielräume ausgenutzt werden, um hier so unbürokratisch wie möglich zu verfahren. Auch was die Diskriminierung und Stigmatisierung anbelange gebe sie KTA Stoll Recht, dies wolle man nicht hinnehmen.

 

KTA Dziuba-Busch verkündet, dass die CDU/RRP-Fraktion sich in dieser Sache enthalten wird. Ihre Fraktion lehne es ab, sich mit Bundesrecht zu beschäftigen. Die Gutscheinpraxis sei ohnehin in der Diskussion und grundsätzlich werden nicht nur Sachleistungen gewährt, sondern Sach- und Geldleistungen. Der Bundesgesetzgeber arbeitet an einer Lösung und die CDU/RRP-Fraktion sehe nicht die Notwendigkeit, sich als kommunale Mitglieder damit zu beschäftigen. Im Sozialausschuss wurde intensiv über die Fälle und Probleme diskutiert. Es sei nicht mehr notwendig, hier aktiv voranzugehen.

 

KTA Stange widerspricht ihrer Vorrednerin in Bezug darauf, dass es sich hier lediglich um Bundesrecht handelt. Dem Innenminister des Landes Niedersachsens müsse Druck gemacht werden. Innenminister Schünemann habe das Recht, die Vorschriften zu verändern. Das Gutscheinsystem sei diskriminierend und der Landkreis habe keine Möglichkeit, hier selbst eine andere Regelung zu schaffen. Man erwarte, dass das Land Niedersachsen seine Praxis überdenke. Sie schätze, dass es bis zur Landtagswahl im Januar keine Veränderung dahingehend geben werde.

 

KTA Plaschka macht deutlich, dass die Gruppe FDP/Die Unabhängigen den Antrag der Gruppe SPD/Grüne unterstützt. Der Verwaltungsaufwand sei zu groß und es sei schwer, mit dem vorhandenen Geld auszukommen. Die Asylbewerberzahlen seien deutlich gesunken im Vergleich zu den Vorjahren und daher würde sie es begrüßen, wenn langfristig Bargeld die Wertgutscheine ersetze. Ihre Gruppe rege an, dass die Situation von der Verwaltung beobachtet werde, da viele Asylbewerber aus recht männerdominierten Gesellschaften kommen. Es muss sichergestellt sein, dass wirklich die ganze Familie von den Geldleistungen profitiere und nicht nur die Familienoberhäupter.

 

KTA Blume fragt seine Vorredner, welche rechtliche Grundlage für das Land Niedersachen gesehen werde, diesen im Bundesgesetz ganz eindeutig vorgesehenen Vorrang von Sachleistungen abzuändern. Das Asylbewerberleistungsgesetz beinhalte keine Öffnungsklausel, die es den Ländern ermögliche, von dem Vorrangprinzip abzuweichen. Die rechtliche Grundlage dafür zu schaffen, dass statt Wertgutscheinen Bargeld ausgezahlt werde, ginge aus seiner Sicht nur dann, wenn man tatsächlich an den Grundsatz des Vorrangs der Sachleistung herankäme und dazu sei die Landesregierung aufgrund der bundesrechtlichen Vorgaben nicht befugt.

 

KTA Staudte antwortet, dass es durchaus Ermessensspielräume gibt, da deutschlandweit Kommunen diese von den Landesregierungen übertragen bekommen haben. Die niedersächsische Landesregierung sei aus ideologischen Gründen hierzu nicht bereit.

 

KTA Blume fragt nach einer konkreten rechtlichen Grundlage, nach welcher es im Asylbewerberleistungsgesetz möglich ist, als Land an dem Grundsatz des Vorrangs der Sachleistung etwas zu ändern. Er wolle wissen, ob die anderen Länder dies durch Landesgesetz geregelt haben.

 

EKR Krumböhmer erläutert, dass § 3 Absatz 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes zwischen Asylbewerbern in Aufnahmeeinrichtungen und außerhalb von Einrichtungen unterscheidet. Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen können soweit es nach den Umständen erforderlich sei, anstelle von vorrangig zu gewährenden Sachleistungen Leistungen in Form von Wertgutscheinen von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen im gleichen Wert gewährt werden. Das Bundesrecht habe tatsächlich die alternative Möglichkeit auf Geldleistung umzuschwenken.Die Kommunen nehmen diese Aufgabe im übertragenen Wirkungskreis war. Das Land habe dem Landkreis gegenüber die Möglichkeit eine fachliche Weisung zu erklären. Es sei tatsächlich eine Sache, die sich nicht auf der gesetzlichen Ebene abspiele, sondern eher auf der Ebene der Fachaufsicht.

 

KTA Dieckmann-Kirks findet, dass Gutscheine nur ein kleiner Teil eines repressiven Systems sind. Osnabrück habe sich beispielsweise bis heute erfolgreich gegen die Gutscheinpraxis gewährt. Auch sie finde Gutscheine diskriminierend und das gelte selbstverständlich auch für die Menschen, die man hier als Gäste willkommen heiße.

 

KTA Schellmann erläutert die damaligen Gründe für das Einführen des Asylbewerberleistungsgesetzes. Das erste Problem war damals gewesen, dass ein großer Teil des Geldes an Schlepperbanden gezahlt wurde. Das zweite Problem war, dass die Familienväter das übernommen haben und das Geld bei den Frauen und den Kinder nicht ankam, so dass die Frauen dann mit den Kindern auf den Straße betteln mussten. Dies sei heute alles nicht mehr so problematisch. Es sei zwar ein Bundesgesetz, welches die Reihenfolge Sachleistungsprinzip, Wertgutscheine und dann Bargeld festlegt. Aber es gebe die Möglichkeit der Ausnahmeregelung  und diese werde von einigen Ländern wahrgenommen. Man wolle ausprobieren, was für eine Kommune machbar sei und die damaligen Probleme trotzdem nicht ganz aus den Augen verlieren.

 

KTA Schröder-Ehlers wundert sich über KTA Blumes Rechtsfrage. Mittlerweile habe man die Beispiele ausreichend oft genannt. Es gebe viele Bundesländer, die mittlerweile die Öffnungen, die das Bundesgesetz bietet, nutzen. Es komme nun darauf an, die entsprechenden Signale zu senden und die politischen Entscheidungen hier vorzubereiten. Die rechtliche Frage sei hinreichend diskutiert und auch gerichtlich hinreichend überprüft. Wenn man die Situation der Flüchtlinge in Lüneburg verbessern wolle, sollte man dieser Resolution zustimmen. Es sei ein richtiges und menschenwürdiges Zeichen dafür, dass Menschen, die hier leben erkennen, dass sie willkommen sind.

 

KTA Gödecke bedankt sich bei KTA Schellmann für die geschichtlichen Erläuterungen. Im Sozialausschuss wurde festgestellt, dass die Kreisverwaltung nach Recht und Gesetz handele. Die Unabhängige-Fraktion werde sich enthalten.

 

KTA Glodzei nennt die Argumentation mit den Schlepperbanden die Spitze des Eisbergs“.Das war damals keine vernünftige Rechtfertigung, so mit Flüchtlingen, die Schutz suchen, umzugehen. Es sei heute überhaupt keine Rechtfertigung mehr dafür, so mit diesen Menschen umzugehen. Man sollte der Resolution zustimmen, wenn man wollel, dass Menschen menschlich behandelt werden.

 

KTA Dammann kann die Diskussion nicht nachvollziehen, denn im Sozialausschuss wurde besprochen, dass die Verwaltung alle möglichen Ermessensspielräume ausschöpfen soll, damit sich die derzeitige Situation verändern könne.

 

KTA Brockmann-Wittich erzählt, dass sie persönlich mit Asylbewerbern gesprochen und dabei erfahren habe, dass zum Beispiel Kinder von Asylbewerbern es schwer haben, an Schulfahrten teilzunehmen, denn dies muss mit Bargeld bezahlt werden. Das vorhandene Geld sei relativ schnell aufgebraucht. Sie empfehle, sich vor Ort mit den Menschen zu unterhalten. So sei sie zu der Überzeugung gelangt, dass das Gutscheinsystem diskriminierend sei.

 

-50-

Beschluss:

Beschluss:

 

 

 

 

 

Der Landkreis Lüneburg fordert das Nds. Innenministerium auf, die rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, damit der Landkreis Lüneburg anstelle von Wertgutscheinen Bargeld an Asylbewerber/innen auszahlen kann. Der Kreistag bittet die Kreisverwaltung, vorhandene Ermessensspielräume insbesondere nach § 6 Asylbewerberleistungsgesetz im Sinne des Antrages zu nutzen, um schon jetzt verstärkt Barleistungen auszuzahlen und bis zu einer Änderung der Rechtslage Gutscheine so unbürokratisch wie möglich auszugeben.

Abstimmungsergebnis: einstimmig bei mehreren Enthaltungen

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