Vorlage - 2023/363
|
|
Sachlage:
1. Bewertung der Auswirkungen von Windenergieanlagen auf das Landschaftsbild bzw. das Schutzgut Landschaft
Gemäß dem Antrag von KTA Gros vom 29.8.2023 im Fachausschuss für Raumordnung, werden durch das Büro Planungsgruppe Umwelt im Folgenden die im Umweltbericht zum 1. Entwurf des RROP 2025 angelegten Kriterien zur Bewertung der Fernwirkung von Windenergieanlagen (WEA) auf das Landschaftsbild bzw. auf das Schutzgut Landschaft dargelegt.
Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 ROG sind in der Umweltprüfung zu Regionalen Raumordnungsplänen (RROP) deren voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen auf die verschiedenen Schutzgüter zu ermitteln. Damit ist klar geregelt, dass nicht alle denkbaren Auswirkungen betrachtet werden müssen, sondern nur diejenigen, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eintreten und zu starken oder gravierenden Konflikten mit Zielen oder Standards des Umweltschutzes oder Veränderungen des derzeitigen Umweltzustands führen. Daraus ergibt sich, dass Umweltauswirkungen näher zu untersuchen sind, wenn eine Erheblichkeitsschwelle überschritten wird. Grundsätzlich sind sowohl positive als auch negative Umweltauswirkungen zu untersuchen. Der Schwerpunkt der Umweltprüfung liegt bei der Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der voraussichtlich erheblichen negativen Umweltauswirkungen.
Die Festlegung von Vorranggebieten für Windenergienutzung in RROPs sichert raumordnerisch Flächen für die Realisierung von WEA auf nachgelagerter Genehmigungsebene. Aufgrund der Bauhöhe der WEA (nach heutigem Stand der Technik 150 – 250 m) ist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit mit erheblichen negativen Auswirkungen unterschiedlicher Schwere „keine“ bis „hoch“ auf das Landschaftsbild zu rechnen.
Die vierstufige Skala der Erheblichkeitsbeurteilung lässt sich wie folgt aufschlüsseln:
- „keine“: Die Festlegung führt zu keinen erheblichen Umweltauswirkungen auf einzelne Umweltbelange.
- „gering“: Erhebliche Umweltauswirkungen treten höchstwahrscheinlich ein, sind jedoch nur von geringer Intensität.
- „mittel“: Erhebliche Umweltauswirkungen treten höchstwahrscheinlich ein und sind von mittlerer Intensität. Sie betreffen geschützte Teile von Natur und Landschaft, besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten, geschützte Kulturgüter oder die menschliche Gesundheit. Es bestehen erhöhte Anforderungen an Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen.
- „hoch“: Erhebliche Umweltauswirkungen treten höchstwahrscheinlich ein und sind von hoher Intensität. Sie betreffen geschützte Teile von Natur und Landschaft, besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten, geschützte Kulturgüter oder die menschliche Gesundheit. Ohne die Möglichkeiten von Ausnahmen und Befreiungen zu berücksichtigen, könnte die Schwere der Beeinträchtigung rechtlich unzulässig sein.
Ob eine Umweltauswirkung erheblich ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So bestimmt beispielsweise der Ort der Auswirkung die Erheblichkeit mit. Ein und dieselbe Auswirkung wird in einem sensiblen Gebiet mit besonderen Schutzgütern (wie z.B. einer Bachniederung mit vielfältigen Biotopstrukturen) erheblicher sein als in einem weniger empfindlichen Gebiet (wie z.B. einem Kiefernforst). Je nach Auswirkung spielt auch die Vorbelastung des Raumes durch bereits bestehende WEA, Infrastrukturtrassen o. a. eine Rolle: In vorbelasteten Gebieten könnte ein Eingriff keine erheblichen Auswirkungen verursachen, während dieser in naturnahen Landschaften erhebliche Auswirkungen mit sich bringen würde.
Im Umweltbericht zum 1. Entwurf des RROP 2025 (Stand: November 2022) wurden die Auswirkungen von WEA auf das Landschaftsbild überwiegend als „gering“ oder „mittel“ bewertet. Die Bewertungsstufen sind im Umweltbericht auf Seite 14 dargestellt. Während durch eine Installation von WEA als technische Bauwerke in jedem Fall eine erhebliche Betroffenheit des Schutzgutes Landschaft durch technische Prägung bzw. Überprägung entsteht, kann und wird eine rechtlich unzulässige Beeinträchtigung des Schutzgutes Landschaft, mithin also eine als hoch zu bewertende Auswirkung, nur in wenigen Einzelfällen zu erwarten sein, und zwar dann, wenn es zu einer schwerwiegenden Überformung von Landschaftsräumen herausragender visueller Qualität und Bedeutung kommt. Indem mittels des Planungskonzepts für die Windenergieplanung im Entwurf der Neuaufstellung des RROP 2025 besonders wertvolle Landschaftsräume, wie beispielsweise die Elbtalaue oder weitere strukturreiche Niederungen, bereits vorab als Tabuflächen ausgeschlossen wurden, tritt ein solcher Fall im Landkreis Lüneburg nicht auf. Die Datengrundlage für die Bewertung des Landschaftsbildes im Ist-Zustand bildet der Landschaftsrahmenplan des Landkreises Lüneburg[1].
Für die Bewertung der Auswirkungen von Windparks, die in den geplanten Windenergiegebieten errichtet werden, ist auch die Sichtbarkeit der WEA in deren Nah- und Mittelbereich – also in einer Entfernung bis etwa zur fünffachen Anlagenhöhe (bezogen auf die Referenzanlage) - maßgeblich. Eine überwiegende Sichtverschattung etwa durch Waldflächen in diesem Wirkbereich führt zu einer Einstufung in die „geringe“ Erheblichkeit, da die WEA innerhalb der sie umgebenden Waldflächen bis auf ihr direktes Umfeld nicht sichtbar sein werden. Das führt dazu, dass bezogen auf das Schutzgut Landschaft WEA im Offenland ungünstiger beurteilt werden als solche innerhalb von Waldflächen. Ähnlich wird eine bereits bestehende Vorbelastung insbesondere durch bestehende WEA bewertet, soweit durch die weitere Installation von WEA keine grundsätzlich neue Beeinträchtigung hinzutritt.
Der Fernbereich in einer Entfernung bis etwa zur 15-fachen Anlagenhöhe wird zunächst nicht für jedes geplante Vorranggebiet in der gebietsbezogenen Bewertung betrachtet. In diesem Bereich sind WEA weiterhin sichtbar, jedoch nimmt die Belastungswirkung mit zunehmender Entfernung stärker ab. Da es mit Blick auf die gesamte Flächenkulisse der Vorranggebiete Windenergienutzung zu großräumigen Überlagerungen der Fernbereiche der einzelnen Gebiete kommt, wird dies in einer kumulativen Bewertung der Festlegungen aufgegriffen und vertieft betrachtet (Kap. IV.1 Umweltbericht). Aufgrund der nun deutlich größeren Flächenkulisse im Vergleich zur 2. Änderung RROP 2016 wird dies in der Überarbeitung des Umweltberichts umfangreicher als bisher ausgearbeitet.
Eine Ermittlung konkret betroffener Flächen bzw. der durch vorhandene Landnutzungsstrukturen sichtverschatteten Flächen durch eine (GIS-gestützte) Verschneidung als Grundlage für diese Bewertung wurde nicht durchgeführt. Dies erfolgt nach wie vor im Zuge der Eingriffsermittlung im Genehmigungsverfahren der WEA und ist für die Planungsebene der Raumordnung nicht angemessen, da im Neuaufstellungsverfahren des RROPs 2025 noch keine hinreichenden Informationen über die konkrete Ausgestaltung der Nutzung (Art und Standorte geplanter WEA) zur Verfügung stehen.
2. Betrachtung des Schutzgutes Landschaft auf der Ebene der Regionalplanung
Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 ROG soll sich die Umweltprüfung auf das beziehen, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und De-taillierungsgrad des Raumordnungsplans in angemessener Weise verlangt werden kann. Damit wird deutlich, dass der Abstraktions- und Konkretisierungsgrad der planerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen in der Umweltprüfung zu berücksichtigen ist. Die Festlegungen in Regionalen Raumordnungsplänen werden in der Regel auf nachgeordneten Bauleitplanungs- und Genehmigungsebenen weiter konkretisiert und erst dort zu konkreten Projekten und Vorhaben sowie Rechtsverordnungen mit konkreten Regelungen (z. B. Naturschutzgebiets- oder Wasserschutzgebietsverordnungen). Insoweit haben die Festlegungen in RROPs teils einen hohen Abstraktionsgrad, der sich auch in der Umweltprüfung widerspiegelt. Im Zentrum der Umweltprüfung stehen die Steuerungswirkungen des RROP für nachgeordnete Pläne und Projekte. Eine vertiefende Untersuchung bestimmter Umweltauswirkungen ist teilweise erst im Rahmen der sogenannten „Abschichtung“ der Umweltprüfung, z.B. in der Bauleitplanung oder im Genehmigungsverfahren der WEA, möglich.
Mit der Aufnahme des § 6 in das Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) könnte die Frage gestellt werden, ob dies eine Verlagerung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) auf die Ebene der Regionalplanung zur Folge hat.
Wird die Errichtung und der Betrieb einer WEA in einem Windenergiegebiet nach § 2 Nr. 1 WindBG beantragt, so sind gemäß § 6 WindBG im Genehmigungsverfahren der WEA abweichend von den Vorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) eine UVP und abweichend von den Vorschriften § 44 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) eine artenschutzrechtliche Prüfung nicht durchzuführen, sofern bei Ausweisung der Vorranggebiete für Windenergienutzung im RROP eine Strategische Umweltprüfung (SUP) bereits durchgeführt wurde.
§ 6 WindBG betrifft unmittelbar nur das Genehmigungsverfahren für WEA nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG).
Mit dem Entfall der UVP im BImSchG-Verfahren geht jedoch keine Verschärfung der SUP auf Ebene der Raumordnung einher. Dies stellt die Begründung der EU-Notfallverordnung (Verordnung EU 2022/2577) sowie die Begründung des auf dieser Verordnung aufbauenden § 6 WindBG klar. Das „Prüflevel“ der SUP im Aufstellungsverfahren des RROP bleibt demzufolge unverändert. Folglich ist die SUP zum RROP nicht „anzureichern“ und auf Planebene der Raumordnung auch nicht eine dem Maßstab und der Detailschärfe des Genehmigungsebene für WEA entsprechende Umweltprüfung vorzunehmen.
Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nach §§ 13ff BNatSchG wird durch § 6 WindBG nicht berührt. In diesem Rahmen werden auf Ebene des konkreten Genehmigungsverfahrens die Umweltbelange ‒ einschließlich des Landschaftsbildes ‒ weiterhin abgearbeitet und ggf. erforderliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bzw. Ersatzgeldzahlungen festgelegt.
[1] EGL - Entwicklung und Gestaltung von Landschaft GmbH (Hrsg.) (2017): Landschaftsrahmenplan 2017 Landkreis Lüneburg.