Auszug - Aktuelle Informationen zu Hartz IV
|
Wortprotokoll Beschluss |
Diskussionsverlauf:
Herr Ratzeburg händigt eine Übersicht über die Entwicklung der
Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II im Landkreis Lüneburg aus und erläutert
diese. Seit Januar 2005 sind die Bedarfsgemeinschaften im Landkreis Lüneburg
von 6.006 auf 7.877 im April 2006 gestiegen. Der Anstieg der Anzahl an
Bedarfsgemeinschaften ist ein bundesweites Problem, wobei vergleichbare
Landkreise wie der Landkreis Celle mit 180.000 Einwohnern 9.426 und der
Landkreis Schaumburg mit 165.000 Einwohnern 7.620 Bedarfsgemeinschaften nach
dem SGB II aufzuweisen haben. Aus dem Arbeitsmarktbericht des Landes
Niedersachsen geht hervor, dass die Arbeitslosenzahl bei den Agenturen für
Arbeit mit 9 % weniger als im Vormonat deutlich zurückging. Für den SGB II
Bereich konnte zwar auch ein Rückgang verzeichnet werden, jedoch betrug dieser
lediglich 1 %. Damit zählten im April rund 63 % aller Arbeitslosen zum Bereich
des SGB II. Insgesamt konnten 34.280 Menschen in Niedersachsen durch die
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ihre Arbeitslosigkeit im April beenden. Hiervon
meldeten sich 25.242 Arbeitslose nach dem SGB III und nur 9.038 nach dem SGB II
in Erwerbstätigkeit ab.
Ferner wurde über eine Novellierung des SGB II berichtet.
Wesentliche Veränderung ist, dass Leistungen für Unterkunft und Heizung für
Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und umziehen, nur
dann erbracht werden, wenn der kommunale Träger die Übernahme der Kosten
zugesichert hat. Eine Zusicherung ist zu erteilen, wenn
1.
der Betroffene aus schwerwiegenden
sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen
werden können,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung
in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger ähnlicher schwerwiegender
Grund vorliegt.
Bezüglich der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „schwerwiegende
soziale Gründe“ und „ähnlich schwerwiegender Grund“ wurde mit der ARGE eine
Vorgehensweise und Vorgaben abgesprochen, so dass grundsätzlich der persönliche
Ansprechpartner bzw. der Teamleiter eigenständig Entscheidungen treffen aber
auch insbesondere in Einzelfällen bei Bedarf einen Sozialarbeiter zu Rate
ziehen kann. Darüber hinaus wird zukünftig die Regelleistung für sonstige
erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft (u.a. Personen unter 25 Jahre,
die in dem Haushalt ihrer Eltern leben) 276,00 € anstatt bisher 345,00 €
betragen.
Herr Ratzeburg berichtet weiter, dass seit dem 01.05.2006 auch
im Leistungsbereich der ARGE auf einen persönlichen Ansprechpartner (pAp)
umgestellt wurde. Insgesamt gibt es zurzeit 42 Sachbearbeiter/innen, die eigenständig
für die ihnen zugewiesenen ca. 200 Fälle zuständig sind. Der Hilfeempfänger hat
es zukünftig grundsätzlich mit demselben Sachbearbeiter zu tun. Die Umstellung
erfolgte zum jetzigen Zeitpunkt, da erst jetzt alle Mitarbeiter so weit geschult
sind, dass sie eine abschließende Sachbearbeitung durchführen können.
KVOR Wiese berichtet, dass diese Fallzahlensteigerung
erhebliche Auswirkung auf die vom Landkreis aufzubringenden Kosten der
Unterkunft haben wird. Zum 30.04.2006 sind bereits Ausgaben in Höhe von
10.573.000,00 € festzustellen. Wenn dieses Ergebnis (ohne Berücksichtigung ggf.
anderer Änderungen) auf das Jahr 2006 hochgerechnet wird, ergibt sich ein
Gesamtausgabevolumen von ca. 31,7 Mio. €. Dieses Ergebnis läge dann um ca. 3,5
Mio. € über dem Ausgabeansatz 2006. Dieser Mehraufwand wird zu 29,1 % durch
Bundeszuschüsse gedeckt. Der Restbetrag ist aus dem Kreishaushalt zu
finanzieren.
Diese Situation unterscheidet sich allerdings nicht von der
Situation, die bundesweit festzustellen ist. Der Städtetag hatte erst kürzlich
in einer Pressemitteilung beklagt, dass der KdU-Aufwand im ersten Quartal 2006
bereits mit 25 % über dem Vorjahresergebnis liegt.
So ist auch festzustellen, dass die Fallzahlenentwicklung in
der ARGE Harburg (die ebenfalls im Einzugsgebiet der Lüneburger Agentur für
Arbeit liegt) sogar noch über der Fallzahlenentwicklung der ARGE Lüneburg
liegt. Es wird hier offensichtlich, dass das deutliche Missverhältnis zwischen
offenen Stellen (521 laut Arbeitsmarktbericht Lüneburg für April 2006) und
Arbeitslosen (9.856) auch keine deutlichen Veränderungen für die zukünftigen Monate
erwarten lässt.
Hinzu kommt, dass von den Arbeitsagenturen mit großem Erfolg
praktizierte job to job-Verfahren, mit dem erreicht werden soll, dass Menschen,
deren Zeitverträge auslaufen oder die gekündigt werden, sich rechtzeitig vor
Beginn der Arbeitslosigkeit bei den Agenturen melden, um ohne vorübergehende
Arbeitslosigkeit sofort wieder in Arbeit vermittelt zu werden. Die in diesem
(und insbesondere in Lüneburg mit großem Erfolg praktizierten) Verfahren
besetzten Arbeitsstellen stehen dann nicht für die Vermittlung von Alg
II-Empfängern zur Verfügung. Dies ist sicherlich eine für die Fallzahlen in den
ARGEn unglückliche Entwicklung, aber auch kaum vermeidbar. Dies ist ein
systemimmanenter Zielkonflikt, der nicht auflösbar ist.
Allerdings wird auch eine weitere Entwicklung bedeutsam: der
Bund hat festgestellt, dass die Beteiligungsquoten der kommunalen Träger an den
Personal- und Sachkosten der ARGEn bundesweit höchst unterschiedlich und nach
seiner Auffassung nicht immer ausreichend hoch sind.
Nunmehr sind alle Agenturen angewiesen, mit den kommunalen
Trägern in Verhandlungen über eine Anpassung/Erhöhung der kommunalen Sach- und
Personalkostenanteile einzutreten. Für den Landkreis Lüneburg würde dies eine
Erhöhung von 25 % ausmachen. Vor diesem Hintergrund sieht der Landkreis im
Augenblick keine Notwendigkeit, zu einer Veränderung zu kommen. Im Extremfall
könnte dies aber bedeuten, dass die Agentur gehalten sein wird, die
ARGE-Vereinbarung zu kündigen, um Neuverhandlungen zu erzwingen. Hier wird der
Landkreis dann sehr genau prüfen müssen, ob er zu neuen Konditionen abschließt
oder, vergleichbar der Regelung in Celle und Uelzen, mit getrennter
Aufgabenwahrnehmung arbeiten wird. Die Entwicklung sollte allerdings abgewartet
werden und es sollten keine voreiligen Festlegungen in Verwaltung oder Politik
erfolgen.
Vor dem Hintergrund aktueller Presseberichte über den nicht
ordnungsgemäßen Einsatz einer so genannten 1 €-Kraft bei dem Paritätischen
stellt KVOR fest, dass durch die Zusammenarbeit mit den Trägern job-sozial und
profi weitgehend sichergestellt wird, dass ein Fehleinsatz nicht erfolgt. Darüber hinaus findet eine
regelmäßige Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer statt, um auch hier
Transparenz im Miteinander zu schaffen.
Die Diskussion um die Führerschaft in den ARGEn wird auch
weiterhin bundesweit geführt. In Lüneburg ist der Verwaltungsrat als
Entscheidungsgremien nach wie vor paritätisch besetzt. Im Landkreis Harburg
wird die Kommune die Führung übernehmen. Insoweit wird es interessant sein, zu
beobachten, in welcher Weise diese beiden Modelle, die dann mit der gleichen
Agentur geführt werden, funktionieren und im Vergleich miteinander bestehen.
Abschließend trägt Herr Ratzeburg vor, dass zwei weitere
Stellen zur Missbrauchskontrolle ausgeschrieben wurden. Insgesamt wären dann
vier Missbrauchskontrolleure für die ARGE Lüneburg tätig. Der Landkreis
Lüneburg ist bei der Missbrauchskontrolle sehr erfolgreich und über den
Kreisgrenzen hinaus bekannt, so z.B. durch den aktuellen Artikel im Hamburger
Abendblatt.
Über die nachweislichen Erfolge der vorhandenen
Missbrauchskontrolleure, wobei der zweite Missbrauchskontrolleur erst seit
01.02.2006 für die ARGE tätig ist, weiß Herr Ratzeburg folgendes zu berichten:
Bei 108 überprüften Anträgen auf einmalige Leistungen (Erstausstattung für die
Wohnung, Erstausstattung für Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft und
Geburt) wurde im Zeitraum vom 01.12.2005 bis 30.04.2006 eine Ersparnis von
51.455,00 € für den kommunalen Träger erzielt. Insgesamt waren hier 96
Überprüfungen erfolgreich. Bei der Überprüfung (51) von eheähnlichen
Gemeinschaften waren ca. 50 % erfolgreich, wobei dies eine Ersparnis von
5.100,00 € monatlich für den kommunalen Träger (und zusätzlich 6.706,00 € für
die Bundesanstalt) bedeutet. Es kann eine tatsächlich erfolgte Einsparung nicht
beziffert werden, da das eigentliche Ende des Leistungsbezuges nur angenommen
werden kann. Selbst bei einem angenommenen Zeitraum von sechs Monate (Regelbewilligungsabschnitt)
würde es hier zu einer Ersparnis von 30.000,00 € allein für den kommunalen
Träger kommen. Hierbei wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass der
Hilfeempfänger ggf. über Jahre hinweg diese Leistungen hätte missbräuchlich
beanspruchen können. Ferner wurden 28 weitere Überprüfungen vorgenommen. Bei
diesen sonstigen Ermittlungen (z.B. verschwiegene Aufenthaltsverhältnisse, Scheinwohnungen,
nicht genannte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften und Untermietverhältnisse)
kam es zu einer monatlichen Einsparung von knapp 3.000,00 € beim kommunalen
Träger (3.350,00 € bei der Bundesanstalt). Umgerechnet auf einen sechsmonatigen
Bewilligungsabschnitt gebe dieses ebenfalls eine Ersparnis von 18.000,00 €
halbjährlich, wobei auch hier das tatsächliche Bewilligungsende offen bliebe.
Beschluss:
Der Ausschuss nimmt die verwaltungsseitigen Ausführungen zur
Kenntnis.