Auszug - Reaktivierung der Bahnstrecken Bleckede - Lüneburg und Lüneburg - Amelinghausen/Soltau: Abschlussbericht
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Wortprotokoll Beschluss |
EKR Krumböhmer freut sich, den Abschlussbericht der standardisierten Bewertung vorzustellen und verweist auf die anwesenden Gäste der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen GmbH (LNVG). Er verdeutlicht die Wichtigkeit des Themas: Eine Reaktivierung der Bahnstrecken brächte die Verkehrswende voran und würde die Anbindung der Hansestadt Lüneburg verbessern. Die reaktivierten Bahnstrecken könnten Siedlungsentwicklungsachsen werden, die die Hansestadt Lüneburg mit ihrem knappen Wohnraumangebot entlasteten. Es könnten alternative batterieelektrische (BEMU) oder Wasserstoffantriebe (HEMU) eigensetzte werden.
Herr Dr. Seidel (Auftragnehmerin ConTrack Consulting-Gesellschaft für Schienenbahnen mbH) stellt den Abschlussbericht anhand einer Präsentation vor. Die standardisierte Bewertung wurde in Zusammenarbeit mit Herrn Prof. Dr. Stölting (Inros Lackner SE) als zweitem Auftragnehmer durchgeführt. Haltepunkte an den zu reaktivierenden Strecken seien auch auf dem Gebiet der Hansestadt Lüneburg vorgesehen. Die standardisierte Bewertung bilde die Grundlage des Reaktivierungsvorhabens und setze einen groben Rahmen. Vor einigen Jahren sei eine niedersachsenweite Studie zur Reaktivierung von Bahnstrecken erstellt worden, hier erfolge nun eine spezifische Betrachtung für das Gebiet des Landkreises Lüneburg.
Die beiden Bahnstrecken Lüneburg-Bleckede und Lüneburg-Amelinghausen-Soltau sind im Bahnhof Lüneburg aufgrund der Gleisgeometrien nicht miteinander verbunden, ein durchgehender Betrieb beider Strecken sei daher nicht möglich. Dennoch sei es aus verkehrsplanerischer Sicht sinnvoll, beide Strecken als gemeinsames Projekt zu betreiben und dabei nach Möglichkeit auch die Bahnstrecke Lüneburg-Dannenberg als drittes einzubeziehen. In ihrer Gesamtheit erschlössen die zu reaktivierenden Strecken fast den gesamten Landkreis Lüneburg in Ost-West-Richtung.
Für die Strecke Lüneburg-Soltau sei ein Betrieb im Stundentakt zwischen etwa 6:30 Uhr und 22:30 Uhr mit Zugkreuzung in Amelinghausen angenommen worden; auf der Strecke Lüneburg-Bleckede zwischen etwa 6:30 Uhr und 22:00 Uhr. Die Investitionskosten seien geschätzt worden, es handele sich nicht um eine Vorplanung nach Leistungsphase 2 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Vielmehr seien Kostensätze vergleichbarer Reaktivierungsvorhaben herangezogen worden. Für die Haltepunkte sei eine konservative Standardaustattung zugrundegelegt worden. Beide Strecken seien getrennt betrachtet worden. Für die Strecke Lüneburg-Bleckede seien erforderliche Investitionskosten von rund 20,5 Mio. € ermittelt worden. Für die Strecke Lüneburg-Soltau rund 13,8 Mio. €. Diese sich stark unterscheidenden Zahlen seien darauf zurückzuführen, dass zwischen Lüneburg und Bleckede nur Museumsbahnbetrieb erfolge, während die Strecke Lüneburg-Soltau sukzessive für den Güterverkehr ertüchtigt werde.
Für den Betrieb der Strecke Lüneburg-Soltau seien vier Triebwagen angenommen worden, für die Strecke Lüneburg-Bleckede drei Triebwagen. In beiden Fällen werde dabei ein Fahrzeug lediglich als Reserve vorgehalten.
Auf der Nutzenseite sei durch Herrn Prof. Dr. Stölting eine Modellrechnung zur Nachfrage mit einem Knoten-Kanten-Modell erfolgt. Das Modell sei mit Zähldaten kalibriert worden (sogenannter Ist-Fall). Das Modell liefere dann Ergebnisse anhand neuer prognostizierte Auslastungszahlen. Der sogenannte Ohne-Fall betrachte die Situation Im Jahr 2030, wenn die Strecken nicht reaktiviert würden. Dennoch erfolgten auch unabhängig von der Reaktivierung Änderungen in den Verkehrsströmen. Als sogenannte Mit-Fälle seien verschiedene Szenarien für beide Strecken betrachtet worden (Aufkommenszahlen und Verkehrsverteilung). Die standardisierte Bewertung bilde schließlich den Nutzen-Kosten-Index (NKI) als Koeffizienten der beiden Größen. Es handele sich hierbei um eine volkswirtschaftliche Betrachtung. Veränderungen bei Lärm- und Verkehrsbelastung, CO2-Emissionen, Reisezeitgewinne usw. flössen hier auf der Nutzenseite ein. Ein NKI von 1,0 sei neutral. Damit eine Reaktivierung aus volkswirtschaftlicher Sicht lohnenswert sei, müsse der NKI stabil über 1,0 liegen.
Für die Strecke Lüneburg-Bleckede sei ein NKI von 0,7 ermittelt worden, die Kosten überwiegen hier den Nutzen. Die Strecke Lüneburg-Soltau verfüge über einen NKI von 9,1. Ihre Reaktivierung sei daher definitiv lohnenswert. Auch der NKI der Strecke Lüneburg-Soltau liege mit einem NKI von 3,4 stabil über 1,0.
Im Zuge der erfolgten Sensitivitätsbetrachtungen seien die o. a. Mit-Fälle modifiziert worden. Für die Strecke Lüneburg-Bleckede könne ein NKI von 1,4 erzielt werden, wenn angenommen werde, dass auch ohne eine Reaktivierung bis 2030 notwendige Investitionen getätigt würden. Erfolge dies nicht, verfiele die Strecke. So würden bereits jetzt Bahnübergänge saniert und ausgebaut und auch kleinere Streckenabschnitte für den Museumsbahnbetrieb ertüchtigt. Außerdem könne für die beiden Strecken ein gemeinsames Reservefahrzeug angenommen werden, da nicht jede Strecke über ein eigenes verfügen müsse. Für die Strecke Lüneburg-Amelinghausen-Soltau sei alternativ die Veränderung des NKI geprüft worden, wenn die Haltepunkte auf dem Gebiet der Hansestadt Lüneburg wegfielen. Für Lüneburg-Amelinghausen verringere sich der NKI dann auf 3,5. Für Lüneburg-Soltau betrage er in diesem Fall 3,1. Die Strecke könne dann nicht mehr in der Schülerbeförderung und als Vorortbahn genutzt werden. Der Einsatz alternativer Antriebe (BEMU, HEMU) sei schwer zu beziffern, da die Kosten hierfür noch unklar seien. Wahrscheinlich würde der NKI jedoch für beide Strecken leicht sinken. Eine standardisierte Bewertung für die Gesamtstrecke Bleckede-Lüneburg-Amelinghausen-Soltau führe zu einem NKI von ca. 1,5.
KTA Blankenburg schlägt vor, nur inhaltliche Rückfragen zur Reaktivierung zu stellen und die politische Debatte in der Sitzung des Ausschusses für Mobilität am 09.06.2022 zu führen, wenn der zurückgestellte Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (ehemals TOP 6) behandelt werde.
KTA Schulz-Hendel führt aus, dass seine Anfrage an den niedersächsischen Landtag ergeben habe, dass Herr Dr. Seidel die LNVG letztmals 2020 kontaktiert habe. Er wirft die Frage auf, wieso hier keine enge Abstimmung erfolgt sei. Seine zweite Frage beziehe sich auf die Aussage, dass alternative Antriebe (BEMU, HEMU) unwesentlich teurer seien: Sei dies bei stark steigenden Energiekosten wie in der aktuellen Lage immer noch so? Seine dritte Frage ziele auf die veränderte Entwicklung der Siedlungsstrukturen: Werde die technische Schonung der Straßen durch weniger Verkehr in der standardisierten Bewertung berücksichtigt? Seien die Studierenden der Leuphana Universität Lüneburg beim Fahrgastaufkommen berücksichtigt worden?
Herr Dr. Seidel antwortet hierzu, dass die Studierenden berücksichtigt worden seien. Auch die Veränderung der Siedlungsstrukturen bei einer Reaktivierung sei in das Modell eingeflossen. Beide Punkte fehlten im verbalen Abschlussbericht, würden aber noch ergänzt. Das Straßennetz bliebe auch bei Reaktivierung der Eisenbahnstrecken erhalten. Eine geringere Straßenbelastung fließe nicht in die standardisierte Bewertung ein. Maßgeblich für den Verschleiß der Straßeninfrastruktur seien die Faktoren Zeit und Schwerlastverkehr. Diese könnten schwer berücksichtigt werden.
Erste batterieelektrische Züge würden in Schleswig-Holstein eingesetzt, hier erfolge momentan der Aufbau von Werkstätten und sonstiger benötigter Infrastruktur. Gleiches gelte für Wasserstoffantriebe, hier beginne Serieneinsatz ebenfalls erst. Belastbare Erfahrungen seien noch nicht gesammelt worden. Erst dann könnten Kosten und Wartungsaufwand seriös abgeschätzt werden. Auch sei z. B. die Entwicklung der Kosten von Akkumulatoren schwer vorauszusagen.
Der Austausch mit der LNVG sei zugesagt worden und im Rahmen der standardisierten Bewertung durch Herrn Prof. Dr. Stölting erfolgt. Die LNVG habe die getätigten Annahmen überprüft. Wann hier der letzte Kontakt erfolgte, wisse Hr. Dr. Seidel nicht. Es habe jedoch ein reger fachlicher Austausch mit der LNVG stattgefunden, auch zu anderen Projekten.
KTA Dziuba-Busch berichtet von Beschwerden aus dem Bereich Lüneburg-Munstermannskamp über den Lärm durchfahrender Güterzüge auf der Strecke Lüneburg-Soltau. Sie wirft die Frage auf, ob Kosten für zukünftigen Lärmschutz bei der standardisierten Bewertung berücksichtigt worden seien.
Herr Dr. Seidel entgegnet, dass dem nicht so sei. Die Strecke sei genehmigt. Nur in einem neuen Planfeststellungsverfahren könnten neue Anforderungen festgelegt werden, was z.B.bei höheren zulässigen Geschwindigkeiten der Fall wäre. Im Stadtgebiet sei dies aber nicht geplant.
EKR Krumböhmer fügt hinzu, dass moderne Personenzüge leise sind, insbesondere solche mit batterieelektrischem Antrieb (BEMU). Züge seien deutlich leiser als Autos, die Verlagerung von Verkehren auf die Schiene sei daher aus Lärmschutzsicht in jedem Fall positiv zu bewerten. Seiner Meinung nach erfolgten Anwohnerproteste eher wegen Schulwegverkehren und dem Schüler:innenlärm. Dies seien Dinge, die an jeder Haltestelle passierten und hinzunehmen seien. Güterverkehre seien nicht Gegenstand des Gutachtens.
Herr Dr. Seidel regt an, die Möglichkeit zu nutzen, dass auf der Strecke Cuxhaven-Bremerhaven-Bremervörde-Buxtehude ab Sommer fahrplanmäßig an wasserstoffgetriebener Zug (HEMU) verkehre und erlebt werden könne.
KTA Kruse-Runge fragt zum Nachfragemodell nach, ob touristische Verkehre berücksichtigt worden seien? Für die Strecke Lüneburg-Bleckede sieht sie hier ein großes Potenzial. Das Problem auf dieser Strecke seien die hohen Investitionskosten. Das Engagement der Bleckeder Kleinbahn UG sowie des Landkreises Lüneburg zum Erhalt der Strecke werde so nicht gewürdigt.
Herr Dr. Seidel antwortet, dass der im Rahmen der Sensitivitätsbetrachtungen errechnete NKI von 1,4 zutreffend sei. Für dieses Szenario müssten die unabhängig von der Reaktivierung getätigten Investitionen verstetigt werden und auf Grundlage eines Konzeptes erfolgen, dass eine Nutzung im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) vorbereite. Für die standardisierte Bewertung seien die Verkehre von montags bis freitags zugrundezulegen, Touristische Verkehre erfolgten eher am Wochenende, daher seien diese nur in geringem Umfang eingeflossen. Dies sei ein methodisches Problem des Verfahrens, das ursprünglich in den 1970er Jahren im großstädtischen Bereich entwickelt worden sei, um etwa U-Bahn-Bauvorhaben bewerten und vergleichen zu können. Auf den ländlichen Raum sei die Methodik daher nur bedingt anwendbar, aber leider vorgegeben.
KTA Burkhardt äußert ihren Unmut, dass das Gutachten nicht wie vereinbart im Sommer 2021 vorgelegt worden sei. Die Verwaltung habe behauptet, es finde eine Abstimmung zwischen der LNVG und den Gutachter:innen statt. Der Presse habe sie aber entnommen, dass dieser Austausch nicht erfolgt sei. Sie bittet daher um Klärung.
Herr Dr. Seidel sagt zu, aufzuklären, wie der Austausch zwischen Herrn Prof. Dr. Stölting und der LNVG erfolgt sei.
KTA John fragt, was notwendig wäre, um Gesamtstrecke Bleckede-Lüneburg-Amelinghausen-Soltau mit einem NKI von 1,5 bewerten zu können.
Herr Dr. Seidel erwidert, dass beide Strecken im Bahnhof Lüneburg baulich nicht verbunden sind. Beide Strecken könnten jedoch als ein Projekt betrachtet und auch gemeinsam betrieben werden. Die Sensitivitätsbetrachtungen hätten Synergieeffekte aufgezeigt, es handele sich dabei um eine andere methodische Betrachtung. Die Strecke Lüneburg-Soltau ziehe dann die Strecke Lüneburg-Bleckede mit. Herr Fehsenfeld (LNVG, Bereichsleiter Angebot) fügt hinzu, dass mit dem Land Niedersachsen abzustimmen sei, ob eine gemeinsame Betrachtung akzeptiert werde. Grundsätzlich sei diese möglich.
KTA Wiesner fragt nach der geplanten Geschwindigkeit der Züge auf der Strecke Lüneburg-Bleckede.
Herr Dr. Seidel gibt diese mit bis zu 80 km/h an.
Herr Prof. Dr. Pez regt an, in den Abschlussbericht aufzunehmen, dass die Studierenden der Leuphana Universität Lüneburg in die standardisierte Bewertung eingeflossen sind. Er wirft die Frage auf, ob im Gegenzug auch eine Kostenersparnis auf der Linie 5001 (Lüneburg, ZOB – Lüneburg, Universität) berücksichtigt worden sei. Es sei frappierend, wie der NKI sinke, wenn die Haltepunkte auf dem Gebiet der Hansestadt Lüneburg wegfielen. Außerdem habe er die methodische Frage, wie sich ein negativer NKI ergeben könne. Er appelliert an die Kreistagsabgeordneten, die beabsichtigte Resolution zur Reaktivierung auch mit dem Landkreis Heidekreis zu fassen, um das Vorhaben größtmöglich zu unterstützen.
EKR Krumböhmer sagt zu, zusammen mit dem Landkreis Heidekreis für die Reaktivierung einzutreten. Oberbürgermeisterin Kalisch habe zugesagt, sich für die Haltepunkte auf dem Gebiet der Hansestadt Lüneburg einzusetzen. Dies sei sehr wichtig. LR Böther habe Herrn Minister Dr. Althusmann als zuständigen niedersächsischen Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung bereits angeschrieben.Folgende Vision könne sich ergeben: Ertüchtigung der Bahnstrecke Lüneburg-Dannenberg, Reaktivierung der Bahnstrecken Lüneburg-Bleckede und Lüneburg-Amelinghausen-Soltau, Wiedereröffnung des Haltepunkts Adendorf und Ausbau des Bahnhofs Bardowick zur Mobilitätsstation. Diese Vision erlaube die Einrichtung einer Regio-S-Bahn mit enormer Reiszeitersparnis.
Herr Dr. Seidel führt aus, dass die Linie 5001 nicht berücksichtigt worden sei. Bezüglich der Haltepunkte auf dem Gebiet der Hansestadt Lüneburg werde der Abschlussbericht nachgeschärft. Bezüglich der weiteren Fragen werde Herr Prof. Dr. Stölting Herrn Prof. Dr. Pez kontaktieren.
Beschluss:
Berichtsvorlage - keine Beschlussfassung erforderlich